Via Spluga (1. Versuch)

Einleitung

Der Beginn einer Leidenschaft.. und chaotischen Abenteuern

 

Eines schönen Tages im Sommer 2009 kam die Idee auf das mit dem Wandern mal auszuprobieren.

Wie schon unter der Rubrik "Über uns" beschrieben lagen eigentlich die Interessen, wie bei so vielen, eher im Bereich Fussball, weggehen und sonstiges, aber sicherlich nicht bei Wandertouren, die man bisher nur aus früheren Zeiten kannte, als man mit den Eltern Sonntags durch den Pfälzer Wald marschierte und der einzigste Höhepunkt die Portion Pommes auf der Hütte war. Früher lagen die Prioritäten eben noch anders.

 

In einer Zeitschrift hat mein bester Freund Michl (eigentlich Michael, aber sagt wohl keiner) eine Info gefunden über die Via Spluga. Viel bebildert mit interessantem Artikel. Da in diesem Sommer kein Urlaub geplant war und ich eh nichts besseres zu tun hatte stimmte ich bereitwillig zu und fing an die erste Vorfreude zu entwickeln.

Je näher das Event vorrückte, umso neugieriger wurden wir und konnten es letztlich kaum erwarten die Wanderschuhe zu schnüren (eigentlich Treckingschuhe, aber überraschenderweise hat das ganz gut funktioniert auf der Strecke).

 

Am 03.09.2009 war es dann soweit und wir starteten unser Abenteuer gegen 3.00 Uhr morgens in Karlsruhe. Wir fuhren über Basel, Zürich nach Graubünden, bis wir nach einer verregneten Fahrt das sonnige Thusis in der Schweiz erreichten.

Nach wenigen Minuten war auch schon ein Parkplatz gefunden, kurze Pinkelpause und los.

Der Weg war fast immer gut ausgeschildert, oder wir einfach nur zu unfähig die Schilder zu lesen.

von Thusis

      nach Andeer

Bereits nach ca. 2 Stunden war es dann soweit und wir irrten auf einer Alm umher, ohne eine Ahnung, wo wir waren. Der eigentlich Weg war zwar in weiter Ferne in Sichtweite, aber die Verbindung auf den eigentlichen Weg zurück zu kommen kurze Zeit nicht auffindbar. Glücklichweise entdeckten wir auf dieser Alm wenige urige Häuser, wo uns geholfen wurde (man beachte, dass hier in dieser Abgeschiedenheit, weit entfernt jeglicher Zivilisation zwischen Kuhweiden und Bergen in der Garage des einen Hauses gut ersichtlich eine Fahne des Fussballvereins von Dynamo Dresden ausgehängt wurde - waren wir dann doch nicht so weit in der Fremde wie wir es uns erhofften? Irgendwie hat das dann ein wenig die Idylle zerstört.. / ähnlich viel Bergflair hätte es wohl gehabt einen Rewe an den romantischen Bach zu zimmern, daneben ein Autohaus mit riesen Werbebannern).

Letztendlich fanden wir auf den eigentlichen Weg zurück und blieben dort auch.



Nach einiger Zeit durch Waldpfade erreichten wir schließlich die eindrucksvolle Viamala-Schlucht. Trotz eines großen Reisebusses gab auch dieses Bild das Wanderfeeling der letzten Stunden zurück. Kurzes Fotoshooting und dann ging es auch schon mit großen Schritten über Zillis (Mittagessen in einem neueröffneten Restaurant in dem der Service nicht als oberste Priorität stand), durch einen Wald-Baumlehrpfad weiter nach Andeer, wo wir letztlich uns auch einquartierten.

Hier trafen wir dann auch zum 1. Mal auf unseren indirekten Begleiter - ein dicklicher älterer Franzose, gemeinsam mit zwei älteren Damen on Tour mit einem Kleinbus (wandern war für ihn offensichtlich kein Thema), der gemütlich auf der Terrasse eines Hotels saß und genüsslich seinen Rotwein trank.

Glücklicherweise gab es in diesem kleinen Ort ein Thermalbad, was natürlich unser Abendprogramm füllte. Natürlich hatte ich meine Badeshorts eingepackt - Michl hingegen musste sich mit einer sexy Leih-Opa-Badehose zufrieden geben. Aber was macht man nicht alles wenn die Füße weh tun und die Waden hart werden.

Nach einem ausgezeichneten Abendessen ging es dann auch bald ins Bett um wieder früh fit für den nächsten Tag zu sein.

Zum Gasthaus ist zu sagen, dass dies recht sauber war und die Eigentümer sich wirklich alle Mühe gaben.





von Andeer

      nach Thalkirch (verlaufen)

2. Tag

Morgens gemütlich das reichhaltige Frühstück (mir wird wohl immer Michls Dattel-Müsli in Erinnerung bleiben) verputzt und dann gings gegen 9.00 Uhr auch schon weiter.

Der befürchtete Muskelkater blieb zum Glück aus und auch die Füße waren wieder gut in Form.

Allerdings ist so ein morgendlicher Aufstieg nicht gerade angenehm, wenn man das nicht gewohnt ist. Mit mehreren kleinen Verschnaufpausen liefen wir unsere Strecke in gutem Tempo voran, begegneten hin und wieder anderen Wanderern, fanden kleinere Erfrischungen am parallel verlaufenden Fluss. Nächster kurzer nennenswerter Zwischenstopp war die Rofflaschlucht mit dazugehörigem Hotel.

Hier trafen wir zum 2. mal auf den dicken Franzosen mit seiner Begleitung - natürlich wieder in Kombination mit Rotwein und Minibus (optisch war recht früh schon zu sehen, dass er keine 30 Minuten vor hatte den Weg zu erlaufen - warum auch, wenn es hier Straßen gibt?)

 

Nach dieser kurzen Verschnaufpause ging es dann erneut steil bergauf bis hin zu einer metallen Wendeltreppe, die uns auf das Dach eines dieser bekannten Autotunnel führt, wenn man in Richtung Italien fährt (eine Seite nackter Fels, andere Seite Panoramablick).

Nach einigen weiteren eindrucksvollen Panoramen, Landschaften und Höhenmeter erreichten wir eine alte Bunkeranlage, die wir allerdings nicht besichtigten und weiter marschierten bis zum nächsten Ort: Sufers.



Dieser Ort hatte was unwahrscheinlich idyllisches, trotz der stark befahrenen Straße in Richtung Italien. Der Sufnersee trug dazu einiges bei.

Schnell war ein gemütliches Restaurant gefunden, bei dem wir unsere schweren Rucksäcke endlich abstellen konnten und bei einem guten Essen wurden die kräftigen Sonnenstrahlen so richtig genossen.

Hier trafen wir dann zum 3. Mal auf den Franzosen, dessen Gesicht sich stündlich weiter ins Rote verfärbte. Allerdings diesmal ohne Begleitung - aber dafür mit Minibus.

Nur schweren Herzens schnallten wir nach ca. 45min wieder unsere Rucksäcke auf und machten uns auf den Weg zum heutigen Etappenziel, welches wir aber jetzt schon vorgemerkt nie erreichten!

(Dramatik baut sich nun auf - Achtung!)



Schon nach wenigen Meter nach dem Ortsausgang von Sufers kamen wir an einer Weggabelung ins Stocken. Wir hatten die Wahl zwischen einem Marsch an der Schnellstraße (was uns nicht gerade nach einer typischen Wanderstrecke vorkam) und dem nach rechts empor verlaufenden Weg, der sich serpentinenartig nach oben schlängelte. Weit und breit waren hier keine Wanderer zu sehen und auch die Beschilderung blieb an dieser Stelle aus. (Es wäre auch denkbar, dass eine Beschilderung vorhanden war - wir haben halt nichts entdeckt). Nach kurzer Überlegung nahmen wir den Weg mit den Höhenmetern und fanden auch nach kurzer Zeit eine Wegmarkierung, die uns bekannt vorkam. Wir waren somit der Meinung auf dem richtig Weg zu sein und liefen geradewegs in die falsche Richtung.

Aufgrund des dichten Tannenwaldes, durch den wir uns immer höher begaben, war wenig zu sehen, an dem wir hätten uns orientieren können. Nach wenigen Stunden hatten wir die Baumgrenze erreicht und wanderten über Trampelpfade an Orte, an denen es jetzt nur noch Sträucher gab. Nach weiteren Minuten/Stunden war nicht mal mehr das vorhanden und der erste Schnee/Eis kam zum Vorschein. (Irgendwo dazwischen fanden wir unser erstes Edelweis)

So langsam stellten wir alles in Frage, waren aber noch immer der naiven Meinung hinter der nächsten Bergkuppe wohl endlich die ersehnten Dächer unseres Zieles entdecken zu können. Leider kam es wie es kommen musste und hinter jeder Bergkuppe kam eine nächste, und nächste .. und nächste.

Letzendlich waren wir in 3.140m angekommen und es gab hier keine höhere Bergkuppe mehr - da stellte sich dann definitv heraus, dass wohl was schief gelaufen ist.



Ein Blick auf die Uhr und die untergehende Sonne sagte uns dann, dass wir nun ein Problem hatten.

Wir versuchten so schnell wie möglich weitere Meter hinter uns zu bringen und einen Abstieg ins Tal zu suchen.

Nach weiteren Minuten setzte die Dämmerung ein und wir entdeckten glücklicherweise weit unten im Tal einige wenige Lichter, die von Häuser stammen mussten. Allerdings war der Abstieg definitiv zu steil um das in aller Dunkelheit zu unternehmen. (Taschenlampen hatten wir natürlich auch keine dabei - survival pur!)



So gut es ging versuchten wir dennoch ein paar wenige Höhenmeter zu verlieren, stoppten aber nach weiteren Minuten. Wir versuchten nun auf einem schmalen Weg die Nacht zu verbringen - rechts ging es steil die Wand nach oben, links ging es steil die Wand nach unten (dazwischen wenige Meter und wir).

Wir legten uns auf Handtücher und zogen so ziemlich alles an, was wir im Rucksack fanden. Nach 45 Minuten jedoch wurde es immer kälter und eine bequeme Schlafmöglichkeit ist was anderes. Dazu blieb immer die Angst den Berg runter zu fallen, sollte einem die Augen zu fallen und man sich im Schlaf zu viel bewegen.



Es half alles nichts - wir stiegen somit den Berg ab.

Es war nun gegen 0.30 Uhr als wir uns aufmachten den schmalen, steinigen und rutschigen Trampelpfad abzusteigen. Zwischendurch immer wieder kleine wackelige Holzbrücken, die über einen verdammt kalten Bach führten, der aus dem Gebirge schoss.

Hin und wieder schafften wir es mit unseren Handys bisschen Licht zu erzeugen und wäre das Mondlicht nicht gewesen, so wäre das Ausmaß undenkbar.

 

Nach einigen Rutschpartien und viel Glück erreichten wir schließlich den Zaun einer Kuhweide und von da an wurde der Weg auch begehbarer. Vermutlich sind wir weit über 1.000 Höhenmeter im dunkeln abgestiegen.

Hinter jedem sich bewegenden Schatten eines Strauches vermuteten wir nun angriffslustige Kühe oder hatten Bedenken in einen ihrer Fladen zu treten. Zum Glück ist aber auch davon nichts eingetreten.

Nun erreichten wir auch die ersten Häuser, die schlummernd an einem Flußbett lagen. In der Hoffnung eine Pension oder Übernachtungshütte zu erreichen liesen wir die ersten kleinen wenigen Häuser stehen und liefen weiter auf die heller schimmernden Lichter zu.

Das Flussbett machte uns allerdings hier erstmal gehört einen Strich durch die Rechnung so irrten wir über die feuchten Steine bis auf eine Wiese, die daneben angrenzte. Auch hier klappte das mit dem Übernachten nicht, da der Wiesengrund viel zu feucht und das Klima zu kalt war.

Also wieder Rucksäcke aufgeschnallt und weitermarschiert.

 

Ich muss an dieser Stelle anmerken, dass diese Aktionen an Dummheit kaum zu übertreffen waren und auch nicht zum nachmachen geeignet sind.

Wir hatten allerdings nie Panik bei diesem Himmelfahrtskommando - eher eine Mischung aus Abenteuer und blöden Witzen zur Situation.



Gegen 4.00 Uhr morgens erreichten wir dann endlich mitten im Nirgendwo eine Gästehütte in einem winzigen Ort, bestehend aus 10 Hütten. Allerdings waren alle Wanderer am schlafen und die Angestellten nicht anwesend - oder ebenfalls im Land der Träume. Es machte somit keiner die Türe auf.

Wir fanden jedoch eine offene Tür zum Waschraum, der zwar nicht wirklich bequem war, allerdings war es Wind und Frostgeschützt, keiner rollte im Schlaf einen Hang hinunter und Plastikstühle gabs auch. Es kam die Idee auf einen der großen Industrietrockner anzuschalten um Wärme zu erzeugen, allerdings liesen wir das dann doch lieber sein.

 

Nach einer Stunde Schlaf auf dem harten Betonboden in kombination mit ein paar wenigen frisch gewaschenen Bettlaken (die müssen nach der Nacht nochmal gewaschen werden.. sorry) erkundete ich (Oli) die ersten Sonnenstrahlen und den Reif auf den Grashalmen. Jetzt im Nachhinein denke ich, dass es wohl eine sehr kalte Nacht auf dem Berg geworden wäre.

Nach wenigen Schritten in der Morgenluft sah ich von weitem, dass eine ältere Dame (vermutlich die Chefin der Hütte) mit ihrem Fahrrad in Richtung Waschraum zusteuerte. Leider konnte ich nicht mehr das Unheil abwenden und  man hörte nur die erschrockenen Laute einer älteren Frau, die in Mitten ihres Heizkeller plötzlich einen völlig kaputten Wanderer liegen sah. Das Gesicht hätte ich jedoch gerne live miterlebt.

 

Die Freude auf eine warme Stube und ein Frühstück war unendlich.

Selbstverständlich mussten wir unsere Geschichte jedem Wanderer erzählen, der das wiederum von anderen mitbekommen hat. Es war fast schon ein Schaulaufen zwischen Müsli, Brot und heißem Tee/Kakao.

Wir können nicht zählen wie oft wir uns anhören mussten, dass das mehr als unverantwortlich gewesen sei - naja, jetzt konnten wir das auch nicht mehr ändern.



Schnell war klar, dass wir diese Wanderung nicht weiter fortsetzen würden, schon allein aus gesundheitlichen Gründen.

Immerhin sind wir gegen 9.00 Uhr des Vortages bis 4.00 Uhr des Folgetages durchgelaufen, und das bei einigen Höhenmeter und weniger Pausen. Dazu der große Wetterumschwung und das ausgehende Wasser.

Vermutlich sind wir ca. 15km in die falsche Richtung gelaufen.

 

Wir schnappten uns den nächsten Bus (seltsamerweise wusste eine alte Frau, die bereits im Bus saß, von unserer Aktion und sprach uns darauf an - woher die das allerdings wusste wird immer ein Geheimnis bleiben), fuhren zum nächsten Bahnhof und von dort nach Thusis zu unserem Auto.

 

Völlig erschöpft, aber auch in gewisser Weise stolz dieses Abenteur doch recht gut überstanden zu haben, luden wir die Rucksäcke ins Auto und liesen Thusis hinter uns.

 

Da wir noch einiges an Zeit hatten (es waren ja mehrere Tage eingeplant als 3) übernachteten wir eine Nacht in Zürich und erkundeten den See und die Stadt.

Dies berichten wir jedoch hier nicht, da das wenig mit dem Thema Wandern zu tun hat - war dennoch lustig.



Fazit:

Trotz des riskanten Abenteuers und der Schande den Weg nicht zu Ende laufen zu können, war das wohl eines der interessantesten und auch schönsten Eindrücke, die wir bisher gemacht haben (zum Thema Wandern).

 

Wir wären gerne noch den Weg zu Ende gelaufen, aber hier siegt dann wohl die Vernunft über alles andere und wir denken im Nachhinein richtig entschieden zu haben.

 

Wir empfehlen jedoch diesen Weg jedem Wanderer, da die Vielfalt der Eindrücke und Schwierigkeitsgrade diese Strecke sehr interessant gestalten.

Graubünden / Thusis / Splügen ist wirklich eine wunderschöne Gegend, vor allem für Wanderer.